Canarina canariensis, in wenigen Monaten vom Samen bis zur Blüte
Die Anzucht aus Samen und Weiterkultur bis zur Blüte von Canaria canariensis ist sehr einfach und rasch zu bewältigen. Die Kanaren-Glockenblumen erweist sich dabei als sehr kulturwürdige Zimmerpflanze, die mit wunderschönen, orangen Glocken bereits 4 Monate nach der Aussaat beim Autor erblühte.
Systematik
Der Gattung Canarina werden 3 Arten zugeordnet, die einzigen kletternden Vertreter der Familie der Glockenblumengewächse ( Campanulaceae ). Innerhalb der Unterfamilie Campanuloideae , wird die Gattung in die Verwandschaftsgruppe zu Campanumoea, Codonopsis, Cyananthus, Leptocodon und Platycodon gestellt. [2]
Arten und ihre Verbreitung
Der Gattung werden 3 Arten zugeordnet:
C. abyssinica Engl. Verbreitet von Nord-Tansania bis Äthiopien
C. canariensis L. Endemisch auf den Kanarischen Inseln
C. eminii Asch. & Schweinf. Verbreitet im tropischen Ostafrika bis Äthiopien
Die Arten C. zanguebar Lour., C. moluccana Roxb., C. laevigata G.Don ex Loud und C. elegantissima berechtigt kein eigener Artstatus bzw. sind ungültige Beschreibungen.
Die Verbreitungslücken ( Disjunktionen ) lassen sich damit erklären, dass es im Tertiär zu klimatischen und topographischen Veränderungen kam, die das einstmalige geschlossene Verbreitungsareal dieser Taxa splittete. ( vgl. Braunwell [1]s. 228 )
Alle Arten weisen die identische Chromosomenzahl auf, 2n=34, es wurden aber auch tetraploide Pflanzen gefunden.
Die Kanaren-Glockenblume
Die Kanaren-Glockenblume, Canaria canariensis , ist die Nationalblume der Kanarischen Inseln. Von Einheimischen wird sie ` Bicácaro` genannt. Zusammen mit Isoplexis canariensis, ist sie als tertiäres Relikt des Lorbeerwaldes zu sehen.
C. canariensis ist ein Endemit der vor der Küste Nordwestafrikas liegenden Kanarischen Inseln. Auf den Inseln Gran Canaria, Teneriffa, La Palma und La Gomera sind Pflanzen zu finden.
Standorte
Standorte sind feuchte, schattige Lorbeerwälder
( Laurisilva ) , in einer Höhenlage von 500 bis 1200m. Passatwolken speisen den Standort mit ausreichend Feuchtigkeit. Die Niederschläge lassen eine immergrüne Vegetation mit zahlreichen Farnen und Moosen entstehen. Die schönsten Bestände befinden sich im Anaga-Gebirge
( Mercedes-Wald ) , im Nordosten von Teneriffa.
Morphologie
Wuchs
Die Kanaren-Glockenblume ist eine ausdauernde Kletterstaude, die kriechend oder kletternd eine Länge von 150-400cm erreicht. Die Laubblätter sind gegenständig, ungeteilt und können herz-, pfeil- bis eiförmig ausgeformt sein. Der Blattrand ist stets gezähnt.
Blüten
Die in den oberen Blattachseln angeordneten, glockenförmigen Blüten von C. canariensiserreichen eine Größe von 4-6cm. Geformt wird diese von 6 Kronblättern, die miteinander verwachsen sind. Die Krone ist gelb-orange bis rot-orange gefärbt, und besitzt eine dunklere Nervung. Eine rein gelb blühende Pflanze wurde im Norden von Gran Canaria. [3] Die Antheren sind im Kreis um den großen, keulenförmigen Griffel angeordnet. Nach erfolgter Bestäubung entwickeln sich 3 bis 4cm große , gelbe Beerenfrüchte, die essbar sind.
Bestäubung
In Europa und Nordafrika gibt es keine Vögel, die auf die Bestäubung von Blüten spezialisiert sind. Der Blütenbau der C. canariensis, sowie auch von Isoplexis canariensis, sind explizit dafür gebaut, um von nach Nektar suchenden Vögeln bestäubt zu werden. Vermutlich sind die Bestäuber während der Eiszeit ausgestorben. Diese ökologische Nische wurde bei der Kanaren-Glockenblume von einer Weidenlaubsänger-Art ( Phylloscopus collybita canariensis ) und der Brillengrasmücke ( Sylvia conspicillata orbitalis) bzw. bei Isoplexis canariensis von der Samtkopf-Grasmücke ( Sylvia melanocephala leucogastre ) besetzt. [4]
Die Bestäubung der ostafrikanischen Canarina-Arten ist unbekannt. Es wird vermutet, dass ebenfalls Vögel die Bestäubung durchführen.
Vermehrung
Aussaat
Die feinen Samen werden, nachdem sie über Nacht gewässert wurden, dünn auf torfhaltige Aussaaterde ( mit 20% Perlit, pH 5,5-6,5) gesät. Da es sich um einen Lichtkeimer handelt, werden die Samen nicht weiter abgedeckt. Die Töpfe werden hell bei 15-20°C aufgestellt und leicht feucht gehalten. Die Keimung erfolgt meistens rasch, nach Erreichen des zweiten Blattpaares sollten die Sämlinge vereinzelt werden.
Stecklinge
Wegen der erfolgversprechenden Aussaat wurden kaum Versuche mit Stecklingen durchgeführt.
Kultur
Im Herbst, wenn die Nachttemperaturen zu sinken beginnen, beginnt Canarina mit dem Austrieb. Dies ist der Zeitpunkt, um mit Wassergaben zu beginnen, die entsprechend dem Wachstum zu steigern sind. Wöchentliche Düngergaben ( 0,2%ig) fördern das Wachstum und die Blütenbildung. Die Pflanzen sollten kühl bei 10-15°C über die Wintermonate kultiviert werden. Da die Pflanze an schattige Standorte angepasst ist, sind auch die Lichtbedürfnisse in Kultur bescheiden. Beginnend in den Frühlingsmonaten bis in den frühen Sommer erscheinen die Blüten. Mit steigenden Tagestemperaturen beginnt die Ruhezeit. Mit der ersichtlichen braun-Verfärbung der Blätter sind die Wassergaben zu reduzieren. Ist die Pflanze oberirdisch abgetrocknet, überdauert die Rhizom-artige Wurzelknolle vollständig trocken gehalten bis zum Neuaustrieb im Herbst.
Die Pflanzen sind frostfrei zu kultivieren, auch kalte Zugluft ist nicht verträglich.
Schnitt
Die Pflanzen sind einem moderaten Schnitt gegenüber verträglich. Seitentriebe tragen zumeist eine grössere Blütenflor, weshalb der Haupttrieb entfernt werden kann / sollte.
Schädlinge
Bei Kultur mit geringer Luftfeuchtigkeit kann Befall mit Roter Spinnmilbe eintreten.
Literatur
[1] Bramwell, D. (1976): The endemic flora of the Canary Islands. In Kunkel, G. (ed), Biogeography and Ecology in the Canary Islands. Junk, The Hague, 207-240
[2] W. M. M. Eddie, T. V. Shulkina, J. F. Gaskin, R. C. Haberle & R. K. Jansen (2003): Phylogeny of Campanulaceae s. str. from ITS sequences of nuclear ribosomal DNA. In: Annals of the Missouri Botanical Garden. Nr. 90/2003, S. 554–575.
[3] Hedberg, O.(1961): Monograph of the genus Canarina L. (Campanulaceae). In: Svensk Botanisk Tidskrift. ISSN 0039-646X, Nr. 55/1961, S. 1-62
[4] Schmidt, O., (2000): Weidenvögel. In LWF-Bericht Nr. 24, 2000/4, Kapitel 6; hrsg. von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)
Gerhard Raschun jun., am 27.07.2010